Wahre Geschichten: Entweder, oder – oder beides?

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Entweder, oder – oder beides?

„Ich verlasse meinen Mann und überlege, ob ich zu meinem alten Arbeitgeber zurückkehre.“ Das war mal eine Ansage am Anfang des Coachings. Das hörte sich nach gründlichem Aufräumen im Leben an.

An der Schilderung meiner Klientin merkte ich, dass sie zum einen nicht ganz sicher war, was sie eigentlich wollte und was ihr andere rieten, und dass sich beide Themen in einer für sie gewissen Abhängigkeit im Kreis drehten. „Ich muss erst das eine lösen, damit ich das andere lösen kann, aber dazu muss ich erst das andere lösen, um das eine zu lösen.“ Wir betrachteten die Themen erstmal getrennt. Was war am Arbeitsplatz los? Bei was fühlte sie sich wohl, was war nicht so angenehm? Wie schwer waren die aktuellen Herausforderungen? Im Gespräch zeigte sich bei der Betrachtung aus einer sehr erwachsenen Perspektive, die ich immer wieder hervorbrachte, dass die Themen am Arbeitsplatz machbar und nicht ungewöhnlich waren, wenn man vor nicht allzu langer Zeit in ein neues Unternehmen in eine Abteilungsleiterstelle gewechselt war. Meine Klientin analysierte die Situation und entwickelte Wege, wie sie in Zukunft damit umgehen wollte.

Dann wandten wir uns der privaten Situation zu. Die Situation schien extrem angespannt zu sein. Ihr Mann hatte anscheinend Schwierigkeiten damit zu leben, dass seine Frau für ihre Arbeit auch mal mehrere Wochen im Ausland war. Besonders spitzte es sich zu, als sie sich verletzte und nicht in einer zu erwartenden Weise für sie da war. Wir sprachen auch über die Vergangenheit, wie glücklich sie war und welche Situationen das waren. Sie hatte ihm auch schon angekündigt zu gehen, hatte dann aber wieder eingelenkt, als er sich um sie bemühte, was allerdings von ihr eher als nervig wahrgenommen wurde. Wir tauchten in die Zukunft ein und sie sollte sich vorstellen, wie ein Leben mit ihm und ohne ihn sich für sie anfühlen könnte. Die Botschaft war klar: Sie fühlte sich leicht und befreit ohne ihn.

In der letzten Phase unseres Coachings ging es darum, wie das jetzt machbar war. Sie merkte, dass die Arbeitssituation nicht so drängend war, jedoch ihre Wohnung mit ihrem Mann keinen Platz zur Regeneration mehr bot. Nach einigem Überlegen kam sie schließlich auf die Idee, auch aufgrund der Verletzung und der Schnelligkeit mit ein paar Habseligkeiten erstmal in eine Ferienwohnung zu ziehen. Das würde ihr einfach den nötigen Freiraum und die benötigte Entspannung geben für die nächsten Schritte. Ich fragte sie, ob sie noch etwas brauchte, aber für sie war ihr Plan jetzt völlig klar. Sie schwieg am Ende des Gesprächs lange und sagte dann beinahe ehrfürchtig „Danke – Danke“.

Einige Wochen hörte ich nichts von ihr, aber schließlich erreichte mich die Nachricht, dass sie gerade in Amerika jemanden besuchte und sich schließlich doch für ihren alten Arbeitgeber entschieden hatte. Sie machte für mich einen sehr gelösten, glücklichen und lebensbejahenden Eindruck.