Gute Rituale (3): Die Fünf-Prozent-Regel

Teamphasen

Gute Rituale (3): Die Fünf-Prozent-Regel

In meinem Leben wollte ich schon oft von jetzt auf gleich etwas erreichen. Ich erinnere mich, dass ich in meiner Kindheit sogar in der 6. Klasse davon träumte, plötzlich bei der Abiturprüfung zu sein. Panik machte sich breit, weil ich gar nicht vorbereitet war. Außerordentlich froh war ich, als ich wieder aufwachte.
Später erlebte ich keine Panik mehr, aber wenn ich etwas anfing, wollte ich gleich perfekt sein. Ein neues Hobby? Da wollte ich gleich Fortgeschrittener sein. Als ich Spanisch lernte, wollte ich am liebsten bei Lektion 12 einsteigen. Es ließ sich ja alles so gut erfassen.
Als Fitnesstrainer und Yogalehrer wollte ich gleich DIE Stunde kreieren. Und auch als ich mich selbständig machte, hatte ich den Anspruch, in sechs Monaten megaerfolgreich zu sein.
Aber wohin führte das? Es führte dazu, dass ich mich von der Realität abspaltete und mich an einem völlig falschen Maßstab maß. Es führte oft zu Frustration, zu Demotivation und zu der Frage: „Ist das überhaupt das Richtige für mich?“ Die Zweifel machten sich breit, ob ich für ein Leben als Selbständige geschaffen war, ob ich je ein guter Projektleiter sein würde, eine gute Yogalehrerin, gut eine Sprache sprechen würde, kreativen Hobbys nachgehen könnte oder meinem Fitnessanspruch genügen würde, der sich aus tollen Zeitschriften mit fantastisch aussehenden Menschen speiste.
Irgendwann hat sich das Bild verändert. Ich wollte nicht mehr sofort das Ziel erreichen. Ich entdeckte den Spaß am Fortschritt. Ich freue mich jetzt wieder, abends nach Hause zu kommen und meinem Mann vom neuesten spanischen Wort zu berichten. Ich freue mich an den kleinen Fortschritten in Sachen Fitness, wenn sich mein Körper besser bei bestimmten Bewegungen anfühlt. Ich freue mich an den kleinen Marketingerfolgen oder Routinen, die ich als Selbständige entwickele und beibehalte (das fiel mir oft am Schwersten).
Diese Veränderung der Perspektive weg vom Ziel, was ich als Orientierung natürlich trotzdem brauche, hin zu den nächsten fünf Prozent auf dem Weg zum Ziel haben mir wieder den Spaß zurückgegeben, Dinge zu beginnen. Wenn ich als Kind gleich hätte perfekt sein wollen, könnte ich wahrscheinlich heute immer noch nicht laufen.
Manchmal überkommt es mich auch, dass ich denke, dass ich nicht genug mache. Gerade wenn ich mich mit anderen vergleiche. Aber dann begegne ich mir wieder auf Augenhöhe, betrachte, was ich leisten kann und vergleich mich dann nur noch mit mir selbst. Was sind die nächsten fünf Prozent? Das ist genau die überschaubare Portion, die ich immer in der Lage bin zu leisten. Und an der ich mich messen kann, wenn ich sie geschafft habe.
Was wollen Sie erreichen und was sind auf dem Weg dorthin Ihre nächsten fünf Prozent?